Resonanzraum: Stimmen aus der Wissenschaft
Zusammenfassung von Margit Weihrich
Das Konzept der alltäglichen Lebensführung ist an die 25 Jahre alt und angesichts einer inzwischen „historischen“ Problemstellung erarbeitet worden – dennoch hat diese spezifische Perspektive weiterhin eine große diagnostische Kraft. Die Aufgabe, sein Leben zu führen, ist inzwischen eher schwieriger als einfacher geworden – all das auf die Reihe zu bringen, was Tag für Tag anfällt, bleibt angesichts der so komplexen wie unbeherrschbaren Bedingungen eine hoch anspruchsvolle Aufgabe, die als eine Leistung eigener Art in den Blick genommen werden muss.
Die Frage nach den Kompetenzen, die eine gelingende Lebensführung braucht, hat die Forschungsgruppe „alltägliche Lebensführung“ damals nicht systematisch verfolgt. Dennoch stecken Antworten in Konzept und Empirie – dies umso mehr, als sich einige der anwesenden Forscherinnen auch in ihren aktuellen Arbeiten dieser Frage annehmen.
So ist festzuhalten, dass es sich hierbei um Meta-Kompetenzen handelt – letztendlich um die Kompetenz, Kompetenzen entwickeln zu können. Man muss mit Offenheit, Unplanbarkeit und Ambivalenz umgehen können; hierfür benötigt man einerseits Flexibilität, andererseits aber auch Bindungsvermögen. Eine wichtige Rolle spielt die Sorge um sich selbst und die hierfür notwendige Fähigkeit, Grenzen zu ziehen und Widerständigkeiten zu entwickeln. Konjunktur scheint auch die Kompetenz zu haben, sich bietende Gelegenheiten nutzen zu können. Insgesamt gilt, die Rolle von Emotionen und Körperlichkeit zu berücksichtigen, wenn es um die Frage von Lebensführungskompetenzen geht.
Die Frage, was eine gelingende Lebensführung ausmacht, ist alt – aber wir sind meines Erachtens ein Stück weiter gekommen. Als ein Indiz dafür, dass Lebensführung an ihre Grenzen geraten ist, lässt sich der Burnout anführen – hier hat die Lebensführung keine Entlastungsfunktion mehr. Die gelingende Lebensführung zeichnet sich demgegenüber durch das Gefühl aus, das, was man tue, sei stimmig und fühle sich gut an. So ist es die Sache der Person, ihre eigene Lebensführung zu beurteilen und sich ein Stück weit gegen diesbezügliche gesellschaftliche Anforderungen zur Wehr zu setzen.
Nimmt man das Konzept theoretisch ernst, so muss man die Eigenlogik der alltäglichen Lebensführung berücksichtigen, wenn es darum geht, Jugendliche in ihren Lebensführungskompetenzen zu fördern. Die entsprechenden Kompetenzen entwickeln sich in Auseinandersetzung mit all den Handlungsanforderungen und Chancen, die tagaus tagein anfallen. Die entsprechenden Lernprozesse finden eher beiläufig und in Form sich etablierender Praktiken statt. Das bedeutet, dass man an der Situation ansetzen muss, in der sich Kinder und Jugendliche befinden – und an den Kompetenzen, über die sie verfügen.
Die Frage, ob das Leben so prekär werden kann, dass Lebensführung gar keinen Sinn mehr macht, haben wir uns nicht gestellt.